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Was ist da los? GLOBAL gegen MOCHOVCE

18.4.2019

Zwischen dem slowakischen Betreiber (SE), der Aufsichtsbehörde (UJD) und GLOBAL 2000 tobt die mediale Schlacht seit bald zwei Wochen und kein Ende in Sicht. Aufgebauscht? Stimmt es, dass die Aufsichtsbehörde alles im Griff hat und allen Hinweisen bereits längst nachgegangen ist? Ein Blick hinter die Nebelkanonen, Verschleierungen und Ablenkungsmanövern von Patricia LORENZ.

Am 3. April 2019 platzt die länger angekündigte Bombe. GLOBAL 2000 informierte die Medien über Whistleblower, die im Atomkraftwerk Mochovce gearbeitet haben und jetzt auspacken. Die österreichischen Medien berichten umfassend über die Verhältnisse auf der langjährigen Baustelle, vor allem die Spitze des Eisberges, die GLOBAL 2000 wenige Wochen vor der geplanten Inbetriebnahme enthüllte. Ein ehemaliger Techniker aus Mochovce 3, der GLOBAL bekannt ist, aber aus Sicherheitsgründen in einem Land in dem Investigativ-Journalisten ermordet werden, anonym bleiben muss, berichtet davon, dass die seismische Nachrüstung im Reaktor 3 sehr wahrscheinlich auf Kosten der Statik ging. Natürlich fragt man sich, warum das AKW plötzlich mit oder ohne Wissen um die möglichen Probleme– vermutlich 2010 – mit Verankerungen ausgerüstet wurde. Das sind die Folgen der erhöhten Sicherheitsanforderungen an die alten Reaktoren, die wie Mochovce in den 70er Jahren konstruiert wurden, Bau meist in den 80er Jahren.  

Danach zeigte die Forschung auf, dass die Erdbebengefahr auch in Europa höher ist als angenommen und vor allem selbst essentielle Bauteile bei AKW gar nicht seismisch qualifiziert sind. Oder im Klartext: Viele AKW sind so gebaut, dass die AKW-eigene Feuerwehr entgegen den Plänen zur Unfallbewältigung weder löschen noch Kühlwasser nachfüllen wird, weil über den Einsatzfahrzeugen das Dach eingestürzt ist, weil niemand das Feuerwehrgebäude auf Erdbebensicherheit überprüft hat.

Dasselbe gilt zum Beispiel für die  Mochovce - Schwesterreaktoren in Dukovany – Baubeginn 1979 (!), Betriebsbeginn 1985. Der Beton der Kühltürme war nach 30 Jahren so alt, dass er bei starkem Wind zu zerbröckeln drohte. Allerdings war das bei diesem Reaktortyp die einzige Wärmesenke, und bei ihrem Ausfall wäre eine Katastrophe nicht auszuschließen. Als ich das im Europäischen Parlament während der Stresstests erwähnte, bekam ein tschechischer EP- Abgeordneter fast einen cholerischen Anfall, das Meeting wurde abgebrochen. Heute stehen sechs neue kleine blaue Notfall-Kühltürme in Mochovce. D.h. dass die Sicherheitsprobleme oft massiv sind, aber zunächst nicht auffallen und dann von Betreiber und nationaler Aufsichtsbehörde verheimlicht werden. Die Aufsichtsbehörde wiederum ist ganz klar die einzige Behörde, die über die Sicherheit eines AKW entscheidet. Sie reagiert aber meist so: Alles ist international überprüft, höchster Sicherheitsstandard, wie kann da irgendeine „ahnungslose Umwelttruppe“ das Gegenteil behaupten.

Diese “Überprüfungen“ oder sonstigen Sicherheitsnachweise muss sie aber nicht einmal öffentlich machen, nicht einmal die diplomatisch formulierten Berichte aus den Überprüfungsmissionen der internationalen Atomenergiebehörde in Wien (IAEO) sind öffentlich. Auch interessant: Die slowakische Aufsichtsbehörde würde sich für eine sogenannten OSART-Mission durch die IAEO aussprechen, die vor Inbetriebnahmen durchgeführt wird – SE winkt jedoch ab, und UJD hat da anscheinend keine Handhabe. SE bevorzugte eine WANO-Mission, die vom Verein der AKW-Betreiber angeboten wird. 

Ein solcher WANO-Bericht wurde GLOBAL 2000 zugespielt. Recht entsetzt berichtet die WANO ebenfalls wie es auf der Baustelle zugeht, wie die Dokumentation schleißig ist, das Management nicht für Einhaltung des Sicherheitskultur sorgt usw. Und dennoch beharren UJD und SE wieder darauf, das wäre gar nicht möglich, da wird ja so streng kontrolliert. Laut Medienberichten sind 5 Inspektoren auf der Riesenbaustelle, wo tausende Arbeiter hunderter Sublieferanten im Einsatz sind. Die Aussage von Mario Zadra, dem italienischen Whistleblower aus Mochovce, dass er in den Jahren, die er dort arbeitete nie kontrolliert wurde, erstaunt da wenig. Das laufende Qualitätsmanagement während des Baus, die genaue Dokumentation ist entscheidend, denn entgegen der Chimäre, die die Aufsichtsbehörde UJD jetzt wieder aufbaut, ist bei weitem nicht alles nachträglich kontrollierbar und reparierbar, weil nicht mehr nachvollziehbar, fix eingebaut, … etc. Von verschiedenen Stellen bestätigt wurde auch, dass die Tests dann noch und noch mal gemacht werden, dass es doch noch passt. Wenn der Dieselgenerator nicht anspringt, dann probiert man öfters und schreibt ins Protokoll, dass alles 1A war. Nur zur Erinnerung: Die Dieselgeneratoren, die im Fall der Fälle den Strom für die Notkühlung erzeugen sollen.

Und warum das alles? Für den Profit?
Profit werden diese Blöcke wohl nicht mehr abwerfen, die Investitionskosten haben sich von 2,8 (Fertigstellung 2012) auf 5,4 Milliarden Euro (Fertigstellung 2020) für 800 MW netto installiert erhöht. Sogar laut Betreiber SE wird damit eine MWh 60 Euro kosten, fast das Doppelte der aktuellen Strommarkt-Großhandelspreise. Diese Gestehungskosten werden noch weiter hinaufschießen, wenn es erwartungsgemäß permanente Reparaturkosten und Stillstände geben wird. Und die könnten angesichts der Vorgeschichte Dauerzustand werden, auch die nun abgeschlossenen Hot-Hydro-Tests der Anlage dauerten nicht wie geplant 39 Tage, sondern doppelt so lange wie angekündigt, was auf Probleme schließen lässt.

Viele Schwierigkeiten gehen bis zur Privatisierung von Betreiber SE 2006 zurück, als die slowakische Regierung die Fertigstellung der Blöcke als Bedingung gesetzt hat. Der italienische Energieversorger ENEL (ohne eigene AKW), der damals noch am Osteuropakuchen - wenn auch reichlich spät - mitnaschen wollte, biss in den sauren Apfel der alten AKW und würgt bis heute dran. Denn der Verkauf an den tschechischen Oligarchen von EPH ist erst dann möglich, wenn diese Blöcke laufen! Und sei es nur kurz. Was ein weiteres mögliches Szenario wäre: Es gelingt die Inbetriebnahme und Übergabe, aber dann werden sich die Ausfälle häufen und die Verluste, bis Mochovce 34 ganz vom Netz gehen. Bis dahin werden noch ein paar “erfolgreiche“ Tests erfolgen, Bauverzögerungen und die eine oder andere Kostenerhöhung. Die Rede ist jetzt Mitte April 2019 von 6-9 Monaten längerer Bauzeit und 200 Millionen Euro zusätzlich.

Aktuell als Hauptschuldige vom SE-Direktor bezeichnet: Die österreichischen Aktivisten. Danke für das Kompliment und wir machen weiter, alle können mithelfen!  Zur Petition geht es hier: https://www.global2000.at/stopp-mochovce

Je mehr Menschen unterschreiben, desto eher bleibt auch die österreichische Regierung dran. Denn sie soll darauf drängen, die Sicherheitsfragen von unabhängigen Experten untersuchen zu lassen, damit das wahre Ausmaß der Unsicherheit sichtbar wird. Nicht nur unserer Meinung nach, auch laut Meinung einiger der Ingenieure von der Baustelle ist das AKW nicht lizensierbar – und das muss ans Licht!


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